Und der Haifisch, der hat Zähne ….

„Diesen Gassenhauer von Bert Brecht kennt sicherlich jeder. Aber wahrscheinlich geht es vielen von Euch wie uns – mehr blieb von Brecht nicht hängen.

Viel zu tun mit Brecht hatten wir Lechhauser Trachtler bis dato auch nicht – bis er vor ca. 6 Monaten stetiger „Gast“ in unserem Vereinsleben wurde.“

 Aber von Anfang an – die Stadt Augsburg feiert seit Jahren Ihren großen Dichter mit einem Festival – bisher in elitären Spielstätten mit Gastspielen von großen Bühnen in der Innenstadt. Bis zum Jubiläum (Brecht wird dieses Jahr 125 Jahre alt) turnusgemäß ein neuer Künstlerischer Leiter das Festival übernimmt und alles anders macht.

„Es liegt ihm mehr an der Arbeit als an dem vollendeten Werk, mehr am Problem als an der Lösung, mehr am Weg als am Ziel (Lion Feuchtwanger über Bert Brecht)“

Eben dieser Leiter möchte Bert Brecht zu den Menschen in die Stadtteile bringen und für 2023 ist unser Lechhausen auserwählt. Also macht sich das Team des Festivals auf, um in Lechhausen, dem größten Stadtteil von Augsburg, mögliche Spielstätten zu finden. Und natürlich finden Sie auch „unsere“ Krone. Nach der ersten Besichtigung im August sind alle angetan und es kommt die Anfrage für 1-2 Veranstaltungen. Im Laufe der Zeit werden aus 2 Veranstaltungen eine Veranstaltungsreihe und schließlich sollen wir Festival-Zentrale werden.

Es folgen Diskussionen im Verein, ob wir unser „Dahoam“ für 4 Wochen an die Stadt übergeben möchten. Viel pro und kontra. Schließlich haben wir beschlossen, das Experiment zu wagen. Natürlich erhoffen wir uns, von der professionellen Medienarbeit zu profitieren. Und vielleicht auch Personenkreise anzusprechen, die sonst nicht zu unserem Publikum zählen.

Bereits im Oktober findet die erste Veranstaltung statt – Brecht´s People treffen sich ab sofort einmal im Monat in der Krone. Menschen, die Interesse haben, am Festival mitzuwirken. Es kommen Personen verschiedenster Kulturen in unsere Krone, die den Weg zu uns nie gefunden hätten. Schnell merken wir auch, dass ehrliches Interesse an uns und unserer Arbeit und unserem Brauchtum besteht. Vor allem Festivalleiter Julian Warner interessiert sich sehr für unsere Geschichte. Vermutlich ist auch an diesem Nachmittag die Idee entstanden, den Trachtenverein Lechhausen in das Brechtfestival zu integrieren.

Und ab sofort wird es anstrengend. Immer wieder wird die Krone besichtigt, Möglichkeiten ausgelotet, wie eine Inszenierung stattfinden könnte. Techniker suchen nach Lösungen, in unseren alten Gemäuern modernes Equipment zu installieren, und wir dürfen auch beim ein oder andern Fernsehdreh dabei sein. Diese Termine mit Künstlern, Beamten und Ehrenamtlichen zu koordinieren, war eine der größten Herausforderungen.

Neben den Vorbereitungen zu Brecht laufen unsere eigenen Veranstaltungen wie Heimatabend, Weihnachtsfeier und Dreikönigstreffen weiter.

Mit der Jahreswende wird es ernst. Der Vertrag ist unterschrieben, „unsere“ Veranstaltung während des Festivals ist in Planung und die Schlüsselübergabe steht bevor. Noch einmal Grundreinigen (wir möchten die Krone schließlich so wiederhaben, wie vorgefunden) und alle (uns bekannten) behördlichen Auflagen wurden ausgeführt. Trotzdem ist es ein seltsames Gefühl, sein Zuhause, in das viel Zeit, Geld und Liebe gesteckt wird, fremden Menschen zu überlassen.

Vielleicht haben unsere alten Gemäuer das auch gespürt, und sich noch ein bisschen gewehrt. Bei der Feuerstättenschau wurde eine undichte Gasleitung entdeckt und unser Herd entspricht nicht mehr der Norm. Zwei Wochen vor Festivalbeginn war es eine Höchstleistung, trotzdem eine voll funktionsfähige Küche zu übergeben – aber dank des Zusammenhalts innerhalb des Vereins haben wir auch das gemeistert.

Gemeinsam mit der Festivalleitung haben wir viele Situationen und spontane Aktionen, mit Bravour gemeistert - einschl. der „brecht’schen Umdekorierung“, die mit unserm Kunstverständnis nur wenig gemeinsam hatte.

Mit Festivalbeginn am 125. Geburtstag von Bert Brecht verwandelt sich unsere gute alte Krone jeden Tag in eine andere Spielstätte, sei es u.a. ein Theaterworkshop mit anschließender Szenischer Lesung der Bayerischen Theaterakademie August Everding, Kybernetische Medienwerkstatt mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz oder auch ein Konzert im Rahmen von „Das Poetische und Private (ist politisch)“. Und dann kommt unser Einsatz:

„Ankommen, Weitertanzen – ein Lechhauser Hoigarten“

Zusammen mit unserer Trachtenkapelle, den Tanzgruppen der Banater Schwaben und Kroaten, die in Lechhausen ansässig sind, wurde ein Hoigarten organisiert. Die Dramaturgin Veronika Maurer hat nach Interviews mit älteren Vereinsmitgliedern Texte verfasst, um dem Publikum die Vereine vorzustellen.

…Sie brachten ihre lokale Tanz- und Musiktradition mit, die bis heute, mehrere Generationen später, mitten in Lechhausen gepflegt wird.

Andere, und doch ähnliche Entstehungsgeschichten haben auch die Tanzgruppen der Banater Schwaben und der Kroat*innen, beide ebenfalls in Lechhausen angesiedelt.

  „Ankommen, Weitertanzen“ reflektiert diese Geschichten und präsentiert eine Lechhauser Heimatfusion mit Kapelle und Kolo, Platteln und Drah’n - mit Einladung zum Mittanzen …

Es war für alle Beteiligten ein Abend, den wir so schnell nicht vergessen würden. Die Krone platzte aus allen Nähten und es wäre bestimmt noch lange weitergegangen, wenn nicht seitens des Ordnungsamtes zum Schutze der Nachbarn ein Ende auf 22.00 Uhr festgelegt wurde.

Mit diesem Abend haben wir es sogar ins Feuilleton der Augsburger Allgemeinen geschafft.

„Was hält Europa zusammen?, Auf jeden Fall die Stärke des Abends im schönen Mitanand, im Duranand, oberbayrischkroatischbanatschwäbisch. (Veronika Lintner)“

Und bis man sich umschaut, ist alles vorbei. Einen Tag nach Ende des Festivals wurden alle Spuren in der Festivalzentrale beseitigt und wir befinden uns wieder in unserer Guten Stube.

Ob sich dieser Aufwand gelohnt hat?

Auf jeden Fall haben sich viel mehr Menschen für Bert Brecht, seine Geschichte, seine Werke interessiert, als je ein Festival erreicht hat. „Wir fanden die Zukunft des dialektischen Theaters nicht auf der Guckkastenbühne, sondern in selbstorganisierten Kulturräumen in Lechhausen (Festivalleiter Julian Warner)“

Wir haben die Erkenntnis, dass wir tolle Menschen aller Kulturen kennengelernt haben.  Dass wir Personen in der Krone zu Gast hatten, die uns im normalen Leben nie gefunden hätten. Dass das Interesse an uns Trachtlern durchaus groß ist. Und, dass der Zusammenhalt innerhalb unseres kleinen Vereins groß ist und wir gemeinsam fast alles schaffen.

Text: Ulrike Riedl und Marianne Hinterbrandner,

Bilder: Marianne Hinterbrandner

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